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Schloss Wartegg - ein Erlebnis

| Wolf Seelentag

Für einmal trafen sich Mitglieder der GHGO und Gäste nicht am üblichen Ort (Aula St.Galler Tagblatt), sondern am "Ort des Geschehens" (Schloss Wartegg) zu einem Referat: Otmar Elsener berichtete über "Das Schloss Wartegg und seine Menschen. Episoden aus sechs Jahrhunderten.". Die meisten der 28 angemeldeten GHGO-Mitglieder trafen sich schon vorher zu einem gemeinsamen Mittagessen im Restaurant. Die Überraschung gab es dann erst im Vortragsraum: für die letztendlich 50 Zuhörer mussten laufend zusätzliche Stühle herbeigeschafft werden. Wirklich eng wurde es aber bei der Führung, für die maximal 30 Personen vorgesehen waren. Ein kleiner Artikel im Regionalteil des St.Galler Tagblatts zeigte grosse Wirkung.

In Ergänzung zu Kaplan Arthur Koblers umfassendem Werk "Das Schloss Wartegg - Geschichte, Bewohner, Gäste" liegt der Schwerpunkt von Elseners Buch auf der ausführlichen Beschreibung einiger bedeutender Bewohner des Schlosses und ihrer Lebensumstände. Unterstützt von Bildern und unterbrochen von freien Überleitungen las der Referent ausgewählte Abschnitte aus seinem sehr unterhaltsam gehaltenen Buch vor: am Schloss Wartegg interessiert zu sein, ist keine Vorbedingung - das Buch ist für jede(n) Geschichtsinteressierte(n) eine empfehlenswerte Lektüre.

Auf dem Hof Egg ob Staad baute Kaspar Blarer von Wartensee (Sohn des Rorschacher Vogts und Bruder des Fürstabts von St.Gallen) 1557 sein eigenes Schloss. Zu diesem Zeitpunkt war Kaspar Blarer Obervogt in Arbon und erbaute sich Wartegg, um näher an Arbon und wohnlicher als im urspr. als Feste erbauten Wartensee wohnen zu können. Evtl. leitet sich der Name ab von einer Kombination des Familiensitzes Wartensee und dem Namen des Hofes Egg. Die Mauer des Palas, wohl aus eigenen Sandsteinbrüchen stammend, steht heute noch.

Der Enkel verkaufte 1642 das Schloss an Balthasar Rink von Baldenstein, Vertreter eines bündner Adelsgeschlechtes. Bereits 1659 ging es dann an Oberst Sebastian Peregrin Zweyer aus Uri über, der aber vmtl. nie auf Wartegg wohnte. Er hatte im Ersten Villmerger Krieg die katholischen Truppen vor Rapperswil geleitet; als Diplomat war um die Annäherung zwischen den Konfessionen bemüht (allerdings nicht immer mit Erfolg), was auch zur Namengebung des "Zwyerhandel" führte. Er verstarb 1661 und die Erben veräusserten das Schloss an den Abt von St.Gallen.

1676 erwarb Landeshofmeister Freiherr Fidel von Thurn das Schloss vom Abt. Die behauptete Abstammung von den Mailänder Adeligen de la Torre ist nicht nachweisbar - und auch sonst steht der Referent dem üblichen Bild des Fidel von Thurn in der Geschichtsschreibung eher kritisch gegenüber. Er war sicher einer der einflussreichsten weltl. Beamter der Fürstabtei St. Gallen in der 2. Hälfte des 17. Jh., der aber eher auf Abgrenzung zwischen den Konfessionen setzte - ausserdem liess er sich oft wohl eher von persönlichen Interessen als denen des Staates leiten. Zu seiner Zeit wurde die Wartegg ein Zentrum der Söldnervermittlung.

Wohl in der Hoffnung auf weitere Vermehrung seines Reichtums gewährte er auch dem aus Grenoble hinausgepeitschten Alchimisten Gige Ruell, der hier unter dem Namen Marquis de Villard auftrat, Unterschlupf auf Wartegg und richtete ihm ein Labor ein. Als dieser schliesslich (unter dem Namen Joseph Bernard de Salens) wegen Betrugs in Oberberg eingekerkert wurde, war Fidel von Thurn sicher auch daran beteiligt, dass er in seiner Zelle weiter experimentieren durfte. Schliesslich zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde der "Marquis" aber nicht wegen Betrugs, sondern wegen Bigamie - wobei sein Tod nicht wirklich belegt werden kann: zu viele hochgestellte Persönlichkeiten, die auf ihn hereingefallen waren, wollten wohl nicht das Gesicht verlieren.

GHGO im Schloss Wartegg - Eine grosse Zuhörerschaft folgt interessiert den Ausführungen des Referenten GHGO im Schloss Wartegg - Otmar Elsener aus seinem Buch zitierend und mit freien Überleitungen

Das seit 1786 unbewohnte Schloss wurde ab 1791 zur Zufluchtstätte französischer Aristokraten: Marquis Marc-Marie de Bombelles wohnte hier und wollte auch Ludwig VI und Marie Antoinette Unterschlupf gewähren - deren Flucht in die Schweiz jedoch bekanntermassen misslang. Die Nachricht von der Hinrichtung am 21.1.1793 löste unter der königstreuen Kolonie in/um die Wartegg Bestürzung aus. Eine nicht zu unterschätzende Leistung Marc-Marie de Bombelles ist das umfangreiche (97 Bände) Tagebuch, das er von 1780 bis 1822 führte. Tagebuch führten auch Elisabeth und Eugenie Wynne, Teenager-Töchter einer wohlhabenden englischen Familie, die ebenfalls ab 1791 auf Wartegg wohnte: Tagebücher stellen eine wichtige Quelle für die Genealogie dar, wenn man darin mehr als nur das "Datenskelett" sieht; speziell Elisabeth beschreibt detailliert die Differenzen zwischen ihrem fast höfischen Leben und dem der einheimischen Bevölkerung.

Mit der Gründung des Kantons St.Gallen (1803) verlor der in Bayern lebende Graf Anton von Thurn und Valsassina seine herrschaftlichen Privilegien über das Schloss Wartegg. Nach mehreren Besitzerwechseln erwarb schliesslich Herzogin Louise-Marie von Bourbon-Parma 1860 das Schloss. Ihre Enkelin Zita, die letzte österreichische Kaiserin, sollte nach dem Ende der K.u.K. Monarchie die heute wohl bekannteste Bewohnerin von Schloss Wartegg werden.

Auf Betreiben der Herzogin Louise-Marie wurde ab 1860 der englischen Landschaftsgärten nachempfundene Park angelegt. Dieser Park war auch ein wesentlicher Grund für die heutigen Besitzer, das Ehepaar Mijnssen, das Anwesen 1994 zu erwerben, obwohl dem Schloss bereits der Abbruch drohte. Zur Einleitung der Führung berichtete Herr Mijnssen über die aufwendige Renovierung: insbesondere der Hausschwamm, der sich vmtl. nicht erst zu Zeiten des Leerstandes eingenistet hatte, musste im ganzen Gebäude bekämpft werden. Anschl. konnten nach einem Aufstieg über das historische Treppenhaus einige der modern eingerichteten Räumlichkeiten des Hotels besichtigt werden. Damit ging ein anregender Nachmittag zu Ende.

GHGO im Schloss Wartegg - Rundgang nach dem Vortrag

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